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PSYCHOTIC WALTZ – 6.10.2019 – Mannheim, MS Connexion Complex

Man muss schon einigermaßen verrückt oder ein wirklich großer Fan sein, um einen frühen Sonntagabend im strömenden Dauerregen und Ferienendstau 170 km auf der Straße zu verbringen, damit man ein Konzert besuchen kann. Letzteres trifft wohl auf die meisten Pilger zu, die sich heute auf den Weg nach Mannheim gemacht haben, um dem diesjährig einzigen Gig von PSYCHOTIC WALTZ im süddeutschen Raum beizuwohnen. Der Parkplatz des MS Connexion Complex ist bereits gut gefüllt als wir eintreffen. Der Club selbst ist kalt und zweckmäßig eingerichtet, es gibt keinen Wiedereinlass und die Getränke sind schon fast ausverkauft.

GHOST SHIP OCTAVIUS

blankViel Zeit bleibt aber auch nicht, um alte und neue Bekannte bei einem Bier zu begrüßen, denn Punkt 19 Uhr beginnt der Support GHOST SHIP OCTAVIUS zu spielen. Die vier Jungs sehen wegen ihres Makeups tatsächlich ein wenig wie die Besatzung eines Geisterschiffes aus und machen eine Mischung aus traditionell angehauchten US-Power-Metal und melodischem Progressive Rock. Die Band um Ex-NEVERMORE-Drummer Van Williams legt einen technisch einwandfreien Gig hin, bei dem sich langsamere und schnellere, aber stets hymnische Stücke abwechseln. Die Band erntet verdienten Applaus und doch scheinen viele Psychotic Waltz Fans froh, als die Stunde Spielzeit vorüber ist, damit das sehnsüchtige Warten auf den Headliner ein Ende nimmt.

PSYCHOTIC WALTZ

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PSYCHOTIC WALTZ sind mitunter ihre eigenen Roadies und haben gleich zu Beginn mit technischen Problemen zu kämpfen. Der instrumentale Opener “Sleeping Dogs”, der vom Laptop unterstützt wird, während die Bühne betritt, hat gleich mehrere Aussetzer, und Sänger Devon Graves versucht etwas gestresst den Mangel selbst zu beseitigen. Die Band steigt dann gleich mit einem neuen Song namens “Pull The String” ein, bei dem sich das Publikum noch etwas verunsichert umschaut: “Erkennt man den Song wegen der anfänglichen Soundprobleme nicht oder kennt man den Song nicht?” Aber als dann schließlich “Morbid” vom vierten und bisher letzten Album “Bleeding” erklingt, wird alles gut. Scheinbar, denn Devon hat hörbar gesangliche Schwierigkeiten, klingt heiser und kämpft mit seiner sich immer wieder überschlagenden Stimme. Das Publikum versucht zu helfen, unterstützt klatschend, jubelnd und mitsingend, und mit Ausdauer und Charme gewinnt Devon die Bühne zurück. Der Sänger ist trotz allem gut gelaunt und nimmt es mit Humor, fragt das Publikum, ob es “America’s Got Talent” kenne, denn so ähnlich liefe das hier gerade auch ab. Ein absoluter Bonuspunkt ist die Bühnenpräsenz Devons, der wie immer durch seine expressiven Gesten beeindruckt. Schnell kommt die Band dann in Fahrt und überzeugt jeden Zuhörer, ob jung oder alt, dass hier musikalische Feinkost geboten wird.

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Die Band spielt gewohnt tight und wirkt trotz der wenigen Auftritte in den letzten Jahren ganz und gar nicht ungeübt, haben sie doch längst wieder in Originalbesetzung zusammengefunden. Drummer Norman Leggio und Bassist Ward Evans sind ein unschlagbares Rhythmus-Team, und wenn dann Dan Rocks und Brian McAlpins Gitarren gegen- und miteinander spielen, läuft einem jeden Fan ein glücklicher Schauer über den Rücken. Die Setlist besteht natürlich hauptsächlich aus Waltz-Klassikern der 90er, wobei mehr als die Hälfte der fünfzehn älteren Stücke vom Debüt “A Social Grace” stammen. Ertönen diese wunderbaren Songs dann im Wechsel mit denen der anderen drei Alben wie beispielsweise “Northern Lights”, “Haze One” oder “Into the Everflow” wird einem bewusst, welch unglaublich talentierte Musiker hier auf der Bühne stehen, wahre Magier mit einem großen Repertoire an einzigartigen Liedern. Gekonnt gehen “Mosquito”, “Ashes” und “Locust” fast fließend ineinander über.

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Besonders gefeiert wird der Song “I remember”, bei dem der Sänger das Mikro im schnellen Wechsel gegen die Querflöte eintauscht und den jeder im Publikum mitsingen kann. Die Fangemeinde besteht schließlich größtenteils aus Ü40ern, die die Band seit dem Erscheinen des Debüts 1990 kennen. Dennoch fragen einige im Publikum nach neuen Liedern, auf die man jahrzehntelang warten musste, und so kommt kurz vor Schluss mit “Back to Black” der zweite und letzte neue Song des Abends, der auf ein großartiges neues Album schließen lässt. Die einzige Zugabe ist das Black Sabbath Cover “Children of the Grave”, eine wirklich gute Version, und doch hätte ich persönlich einen weiteren bandeigenen Song bevorzugt.

Die psychotische Sonne San Diegos hat jedenfalls für 90 Minuten über Mannheim gestrahlt und den regnerischen Sonntag vergessen lassen. Insgesamt ein mehr als gelungener Abend, der alle glücklich nach Hause gehen lässt, in freudiger Erwartung einer ausgedehnteren Tour im nächsten Jahr, die der Veröffentlichung des neuen Albums folgen soll. Es wird das erste Werk der Band nach über 23 Jahren sein, trägt voraussichtlich den Titel “The God Shaped Void” und wird am 17. Februar 2020 auf InsideOut Music erscheinen. Die neuen Songs und die Vorfreude der Band lassen auf Großes hoffen.

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