blank

URFAUST: Teufelsgeist

Die Sache mit dem Merch haben URFAUST ja von Anfang an recht gut durchschaut, ihre T-Shirt-Designs sind Legion, oft limitiert, aber zum großen Teil eben auch wirklich gelungen. Teilweise konnte man den Eindruck gewinnen, es gäbe zu jedem Gig ein eigenes Shirt. Was macht man im Moment so ganz ohne Gigs? Richtig, man trinkt Alkohol. Und so gibt es zur neuen Platte einen eigenen Gin zu kaufen, der natürlich Teufelsgeist heißt, obwohl ich „Geist ist Teufel“, so der Name ihrer ersten Platte, da natürlich konsequenter gefunden hätte. Aber da Gin ja ohnehin ein säuerliches Gebräu ist, dem man dann, um dem Ganzen die Krone der Widerwärtigkeit aufzusetzen, noch das ekligste Gewächs überhaupt hinzugibt, nämlich eine Gurke, halte ich mich von diesem Getränk fern. Vermutlich muss man Brite sein, um so was zu mögen. Ober eben holländischer Ritual-Black-Metal-Clochard wie die Kollegen von URFAUST.

Mehr Keyboard-Overlaod

Aber beschäftigen wir uns lieber mit dem neuen Tonträger, denn das lohnt sich deutlich mehr. URFAUST ist nämlich ein weiteres Werk gelungen, das allen Kritikern und allen Fans gleichzeitig neues Futter liefern wird. Ich zähle ja zu Letzteren und freue mich, dass es dem holländischen Duo auch nach unzähligen Splits, Singles, EPs, und fünf Full-Length-Alben immer noch gelingt, aus ihrem minimalistischen Ansatz und den wenigen musikalischen Mitteln, die sie gewillt sind einzusetzen, weiterhin spannende und faszinierende Musik zu machen.

Der wunderbare Opener „Offerschaal der Astrologische Mengvormen“ zeigt mit seinem Overload an Vintage-Keyboard-Sounds, die je nach Sichtweise entweder an Horror-Film-Soundtracks der 70er oder  die Musik zu den “Emanuelle”-Filmen erinnern, dem typischen Drumming und dem nicht weniger typischen Gesang bereits die Richtung an, in die es auf „Teufelsgeist“ gehen wird und die bereits auf dem ebenfalls sehr gelungenen Vorgänger „The Constellatory Practice“ eingeschlagen wurde. Es sind viele Keyboards zu hören, Sound-Collagen spielen eine größere Rolle, aber all dies ohne die eigentlichen Songs zu vernachlässigen, so dass beide Pole von URFAUST immer mehr zusammenwachsen und eine Einheit bilden, die vor allem auf diese besondere, düstere und versponnene Atmosphäre abzielt, die das Schaffen der Band kennzeichnet.    

Torkelnder Helden-Tenor

Auf „Teufelsgeist“ haben Keyboards sogar einen noch größeren Stellenwert im URFAUST-Kosmos eingenommen und die Gitarre, zumindestens auf dieser Platte, als dominantes Instrument abgelöst, was der Atmosphäre der Songs aber keinen Abbruch tut – im Gegenteil.

Zähfließend, düster, eindringlich wie in „Bloedsacrament voor de Geestenzieners“, dazu der der torkelnde Helden-Tenor von IX, pathetisch-alkoholisiert in seiner schönsten Form – also genau das, was man von URFAUST erwartet (oder furchtbar findet). Ein wirklich fantastischer Song.

„Van Alcoholische Verbittering naar Religieuze Cult“ ist dann eher ein atmosphärisches Zwischenspiel, aber „De Filosofie van een Gedesillusioneerde“ ist ein weiterer gelungener Song und kommt langsam auf einem prägnanten Bass-Riff kriechend, ohne Heldentenor, aber dafür mit mehr atomsphärischem Noise auf den Hörer zu, um ihn zu umarmen und nicht mehr loszulassen.

Simple, aber umso hypnotischere Rhytmus-Arbeit

Einen nicht geringen Anteil an der Faszination, die die Band bei mir auslöst, trägt neben allen Vintage-Synths-Soundscapes oder auf anderen Platten das derbe Gitarren-Geschrammel vor allem die Schlagzeug-Arbeit. Ich bin ein weiteres Mal begeistert vom simplen, aber umso hypnotischeren Spiel von VRDRBR, der ja nie irgendwas Besonderes macht, etwa kaum Fills, außergewöhnliche Patterns oder andere Sperenzchen, aber immer diese spezielle Tempo-Verschleppung in die Songs einbringt, dieses manisch-kriechende Element, das mich einfach fasziniert und einfängt. Man kann es nicht musikalisch oder rational nachvollziehen, aber irgendwie lösen die banalen Bumm!-Zack!-Rhythmen bei mir immer sofort einen Mitwipp-Zwang aus, wenn sie von VRDRBR gespielt werden, und Gähnen bei den meisten anderen Drummern.

Zusammen mit den anderen zwei Stilmitteln, dem sehr eigenen Gesang und den minimalistischen Songstrukturen, haben URFAUST sich ein eigenes Universum, geschaffen, bestehend aus langsamer, versponnener, merkwürdiger, irgendwo im Black Metal verwurzelter, Musik, mit Pathos und Dreck gleichzeitig, immer knapp am Dilettantismus vorbei, in denen ihnen niemand das Wasser reichen kann und das auch auf dieser Platte wieder so wunderbar zelebriert wird, das Epigonen wie DOLCH mühelos auf die Plätze verwiesen werden.

Wer also prinzipiell mit dem musikalischen Konzept von URFAUST etwas anfangen kann, der wird hier sehr gut bedient und sollte unbedingt zuschlagen. Wie immer bei Ván Records gibt es verschiedene Versionen, CD und Vinyl, und eine Edition mit den Gesöff und den passenden Schnappes-Gläsern mit Gold-Aufdruck. Nobel geht die Welt zugrunde.

Release Date: 27.11.2020

Label: Ván Records

Line Up:

IX –  Vocals, Gitarre
VRDRBR – Drums

URFAUST „Teufelsgeist“ Tracklist

1. Offerschaal der Astrologische Mengvormen (10:35)
2. Bloedsacrament voor de Geestenzieners (7:59)
3. Van Alcoholische Verbittering naar Religieuze Cult (4:38)
4. De Filosofie van een Gedesillusioneerde (5:48)
5. Het Godverlaten Leprosarium (4:31)

https://urfaust.bandcamp.com/

https://www.facebook.com/urfaustofficial

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner