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TURBONEGRO: Rock’n’Roll Machine

Erwachsene Punkrockmusik für das fortgeschrittene Ohr. Wer die letzten beiden Turbo-Alben mochte, sollte nach ein paar Durchläufen auch hier klar kommen.

Das neue Bandlogo im SCORPIONS-Style weist den Weg: Auf den Tag genau 20 Jahre nach dem Referenzalbum “Apocalypse Dudes” erscheint “Rock’n’Roll Machine”, das neunte Studioalbum der norwegischen Punkrock-Matrosen TURBONEGRO.

Noch unterschiedlicher könnten die beiden Platten nicht sein: Getreu ihrem alten Ansatz “Most rock’n’roll bands start as a riot but end up as a parody. We started up as a parody but ended up as a revolution“ (Happy-Tom) eilt der Turboneger 2018 mit Siebenmeilenstiefeln Richtung Stadion-Rock.

TURBONEGRO 2018: Cheesy Hardrock mit hohem Glam-Anteil

Das gesprochene Intro “Chrome Ozone Creation” (Part I der die Scheibe eröffnenden “The Rock And Roll Machine Suite”) schiebt die Erklärung vorweg: Die Zeiten haben sich geändert, die Alpha Denim Recruits sehen sich gezwungen, eine Veränderung einzuläuten – und müssen mutieren. Immer in Bewegung bleiben und Haken schlagen, weil das Leben dich sonst kriegt. Part II (“Well Hello”) und Part III (“Rock & Roll Machine”) schlagen im nahtlosen Anschluss eine Brücke von den alten zu den neuen TURBONEGRO. Und bei denen heißt die Devise: BLACK FLAG, POISON IDEA und THE STOOGES raus, AC/DC, THE SWEET und REO SPEEDWAGON rein.

Cheesiger Hardrock mit hohem Glam-Anteil und satten Synthies (VAN HALEN zur „1984“er-Phase lassen herzlich grüßen) ist der heiße Scheiß der Stunde. Kein Wunder, dass bei den Turbonegro-Liveshows gerade ein umjubelter QUEEN-Coverblock eines das Highlights im Set ist – und wer QUEEN nicht mag, hat in dieser Welt eh schon längst verloren.

Halb Theater, halb Gosse; halb Parodie, halb blutiger Ernst

Hat man seine Überraschung wieder im Griff, stellt man fest, dass alles halb so schlimm ist. Und dass sie doch schon immer so gewesen sind, diese wunderbaren Norweger: Zur Hälfte Plagiat, zur anderen Hälfte Innovation. Halb Theater, halb Gosse; halb Parodie, halb blutiger Ernst. Mit einem Sound, der das klügste und das dümmste Kind der Klasse zu gleichen Teilen erreicht …

Wie schon auf den Vorgängerwerken “Retox” (2007) und “Sexual Harassment” (2012) geben sich auch auf „Rock’n’Roll Machine“ Filler und Killer, Stinker und Hymnen die Klinke in die Hand. Da ist nicht alles geil, findet sich viel Leerlauf, aber auch das ein oder andere Glanzlicht. Aber ich mag den Humor, der der Scheibe inne wohnt – und die Tatsache, dass TURBONEGRO sich erneut verändert haben.

Der frisch zur Band gestoßene Keyboarder Crown Prince Haakon-Marius hat sein neues Revier sauber markiert: Die Scheibe ist gespickt mit Retro-Keyboards und Synthie-Spielereien, die EUROPE anno 1986 nicht besser hingekriegt hätten (“John Carpenter Powder Ballad”). Dazu ein ganzer Arsch voll versteckter Popkultur-Anspielungen, von BLACK SABBATH und OZZY OSBOURNE hin zu geschmeidigen Selbstzitaten wie im Intro zum Übersong “Hot For Nietzsche”. Und immer dieser Humor: Das Intro von “On The Rag” ist priceless, und eine Hymne an die Skinhead-Bewegung (“Skinhead Rock & Roll”) im besten DEF LEPPARD-Gewand zu schreiben, das muss man auch erst mal hinkriegen.

TURBONEGRO eine engagierte, an den Wochenenden tourende Hobbykapelle

Ansonsten darf Entwarnung gegeben werden: Im Jahr des Herrn 2018 sind TURBONEGRO eine engagierte, an den Wochenenden tourende Hobbykapelle; sechs Männer mittleren Alters, die tiefenentspannt sind und tut, was sie wollen. Und die keinerlei Rücksicht auf irgendwelche Fanwünsche nehmen. Wer mit Death Punk seine eigene musikalische Schublade gezimmert hat, der darf auch bestimmen, was da rein kommt.

Bei Lichte betrachtet sind TRBNGR noch nie stehengeblieben, sondern haben sich immer verändert. Nicht nur aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet macht die neue Scheibe durchaus Laune. Tony Silvester singt besser denn je, Euroboy haut ein paar großartige Gitarrensoli raus, und überhaupt ist die Stimmung im Bandcamp so gut wie seit Jahren nicht, was sich 1 : 1 auf die Musik überträgt. Für’s Protokoll: Die Alternative wäre gewesen, dass sich unsere Lieblingsband nach dem Ausstieg von Hank (dem schon längst keiner mehr nachheult) erneut und diesmal final auflöst.

Dann lieber Friede auf’m Kutter. Das Lamm liegt beim Löwen, es herrscht Siesta in “Fist City” formerly known as “City Of Satan”. Auf “Rock’n’Roll Machine” heißt das Motto “Zurück in die Zukunft”. Erwachsene Punkrockmusik für das fortgeschrittene Ohr. Kann man scheiße finden, muss man nicht. Wer die letzten beiden Turbo-Alben mochte, sollte nach ein paar Durchläufen auch hier klar kommen.

Veröffentlichung: 2. Februar 2018

Line-up:

Thomas Seltzer (Happy Tom): Bass
Knut Schreiner (Euroboy): Gitarre
Pål Bøttger Kjærnes (Pål Pot Pamparius): Schlagzeug
Tomas Akerholdt (Tommy Manboy): Gitarre
Rune Grønn (Rune Rebellion): Gitarre
Tony Sylvester: Gesang
Crown Prince Haakon-Marius: Keyboards

Mehr im Netz:
turbonegro.com
facebook.com/TurbonegroHQ

TURBONEGRO „RockNRoll Machine“ Tracklist

1. The Rock and Roll Machine Suite – Part I: Chrome Ozone Creation
2. Part II: Well Hello
3. Part III: RockNRoll Machine (Audio bei YouTube)
4. Hurry Up & Die (Audio bei YouTube)
5. Fist City
6. Skinhead Rock & Roll
7. Hot For Nietzsche
8. On the Rag
9. Let the Punishment Fit the Behind
10. John Carpenter Powder Ballad
11. Special Education (Audio bei YouTube)

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