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ALLEGAEON: DAMNUM

ALLEGAEON erweitern ihren Sound durch neue Einflüsse: Das macht “DAMNUM” zum bislang abwechslungsreichsten Werk, ohne die gemeinsame Vision der Band opfern zu müssen.

Viele Köche verderben den Brei, sagt man. Es brauche eine klare Hierarchie und ebenso eindeutig verteilte Rollen. Nun mag das für das Tagesgeschäft seine Richtigkeit haben; wo nach Feierabend jedoch Kreativität sprudelt, soll man sie nicht im Keim ersticken. ALLEGAEON waren ihrerseits noch nie eine Band, der es an Ideen mangelte: Der technisch versierte und dank Groove und Melodie dennoch eingängige Death Metal der US-Amerikaner hat seit jeher etwas, das im Genre viel zu oft viel zu kurz kommt: Charakter und Wiedererkennungswert. Die Handschrift von Gitarrist Greg Burgess war stets deutlich zu erkennen, sei es in seinem markanten Riffing oder in den klassischen Einflüssen, die er gerne in leiseren Momenten mit der Konzertgitarre zur Schau stellte.

Was passiert also, wenn eine solche Band auf ihrem sechsten Album die Tore öffnet und den bisherigen Modus Operandi aus dem Fenster kickt? Wenn plötzlich alle Musiker gleichermaßen in das Songwriting mit einbezogen werden? Die kurze Antwort lautet „DAMNUM“, die längere benötigt etwas mehr Zeit. Auch, weil wir uns selbst erstmal an die neuen Facetten gewöhnen müssen. Feinere Details auf den Vorgängern erlangen nun neue Prominez: Der ehemals – wenn überhaupt – spärlich eingesetzte Klargesang Riley McShanes ist nun ein vollwertiges Werkzeug im Arsenal ALLEGAEONs, die nun wesentlich offener mit Querverweisen in Richtung klassischer Progressive-Trademarks hantieren.

“DAMNUM” ist das abwechslungsreichste ALLEGAEON-Album bislang

„DAMNUM“ ist beileibe kein Stilbruch, aber das Album ist eine deutliche Neuorientierung: Der typische ALLEGAEON-Sound findet sich auch weiterhin, wenn etwa „The Dopamine Void, Pt. II“ oder „Bastards of The Earth“ gewohnt rabiat loslegen und letzteres dem Bandsound lediglich kleinere schwarzmetallische Spitzen hinzufügt. Den Blick fürs Detail hat das Quintett folglich nicht verloren, legt dank Neuzugang Jeff Saltzmann hinter dem Schlagzeug eher noch eine Schippe drauf.

Nicht nur aufgrund des engagierten Drummings entpuppt sich „DAMNUM“ schnell als abwechslungsreichstes ALLEGAEON-Album bislang. Mit beherztem Klargesang im Refrain von „Of Beasts And Worms“ fließt ein wenig SOILWORK-Flair in den aufpeitschenden Song ein, während die Clean-Vocals in ruhigeren Passagen („The Dopamine Void, Pt. I“) gesanglich eher an WHITECHAPELs jüngste Prog-Ausflüge denken lassen. „Into Embers” balanciert zwischen Technik und Eingängigkeit so virtuos, wie wir es sonst von OBSCURA kennen, bis „Called Home“ mit seinem akzentuierten Prog-Part zeitweise OPETH auf den Plan ruft.

“DAMNUM” ist ein persönliches und emotional authentisches Werk

Dieses breite Spektrum zementiert den Status ALLEGAEONs als ernstzunehmende und respektable Progressive Death Metal-Band, zumal sie zwischen pfeilschnellen Soli und drückenden Riff-Attacken zu keiner Zeit das eigene Profil aufzugeben bereit ist. Das ist auch deshalb so wichtig, weil „DAMNUM“ thematisch ein ungemein persönliches und emotional authentisches Album ist: Trauer, Schmerz und Verlust bilden das lyrische Rückgrat, nachdem die Band schwere Rückschläge im privaten Umfeld hinnehmen musste.

Das ist der Grundstimmung „DAMNUM“s durchgehend anzumerken. Obwohl die melodischen Leadgitarren in „Into Embers“ wie ein durchgehendes Sicherheitsseil Halt versprechen, versteckt sich dahinter ein unnachgiebiger Zorn. Zwischendurch scheuen sich die fünf Musiker aber nicht, die verbitterte Fassade bröckeln zu lassen, wenn etwa „To Carry My Grief Through Torpor and Silence“ kurzzeitig das Metal-Gewitter in einer Konzertgitarre verklingen lässt. Oder „In Mourning“ als introspektives Interlude uns die Wunden lecken lässt, bevor uns ALLEGAEON dank des schwerfälligen „Only Loss“ zum Abschluss mit einem tiefen Treffer in die Magengrube zurücklassen. Allein der sonore Refrain verspricht ein wenig Trost – ein krasser Kontrast zum sonst erdrückenden Klangbild.

ALLEGAEON sind trotz individueller Ideen nicht von einer gemeinsamen Vision abgerückt

Doch das ist gewollt: ALLEGAEON sind nicht mehr dieselbe Band, die seinerzeit das recht zielgerichtete Full-Length-Debüt „Fragments Of Form And Function“ (2010) eingespielt hat. Nicht nur das Line-Up hat sich seitdem verändert, auch die Einflüsse der US-Amerikaner und zuletzt eben auch die Herangehensweise. „DAMNUM“ hätte als absolute Bruchlandung enden können – “Zu viele Köche…”, wie man ja weiß -, erweitert aber stattdessen das Repertoire der Band um zahlreiche neue Stilmittel. Auch deshalb ist dieses Album letzten Endes ein Loblied auf Teamarbeit sowie das Aufbrechen alter Hierarchien; ein beeindruckender Beleg, dass individuelle Ideen einer gemeinsamen Vision nicht im Weg stehen müssen.

Veröffentlichungstermin: 25.02.2022

Spielzeit: 60:04

Line-Up

Riley McShane – vocals
Greg Burgess – guitar
Michael Stancel – guitar
Brandon Michael – bass
Jeff Saltzman – drums

Produziert von Dave Otero

Label: Metal Blade

Facebook: https://www.facebook.com/Allegaeon

ALLEGAEON “DAMNUM” Tracklist

01. Bastards of the Earth
02. Of Beasts and Worms (Video bei YouTube)
03. Into Embers (Video bei YouTube)
04. To Carry My Grief Through Torpor and Silence
05. Vermin (Video bei YouTube)
06. Called Home
07. Blight
08. The Dopamine Void Pt. 1
09. The Dopamine Void Pt. 2
10. Saturnine
11. In Mourning
12. Only Loss

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